Einführung
Das betrachtete Brückenbauwerk (im Folgenden B6-Brücke genannt) überführt die Meißner Landstraße (B6) über die Gleisanlagen der DB AG im Stadtgebiet von Dresden am Haltepunkt Dresden-Kemnitz. Auf dem Überbau befinden sich 3 Fahrspuren mit einer Gesamtbreite von 10,15 m und beidseitige Gehwege von jeweils 2,325 m Breite. Das Bauwerk besteht aus 1 Überbau. Es handelt sich um einen schiefwinkligen, geschweißten, zweizelligen Stahl-Hohlkastenträger konstanter Bauhöhe mit 2x 21,5 m Stützweite (Zweifeldträger). Die 2 Hohlkästen sind durch Querträger biegesteif miteinander gekoppelt. Die Fahrbahn ist als orthotrope Fahrbahnplatte mit Längssteifen (Trapezhohlsteifen) und Querträgern ausgeführt. Der Winkel zwischen Straßenachse und Auflagerachse beträgt 45°. Im Rahmen der statischen Nachrechnung [1] wurde festgestellt, dass in einigen Bauteilen, speziell in den Querträgern und im Deckblech, keine ausreichende Tragfähigkeit nachweisbar ist. Zusätzlich bestehen große Unsicherheiten bezüglich des Zustandes der Stahlkonstruktion in den nicht zugänglichen Hauptträger-Hohlkästen (Wasseraustritt aus Längssteifen festgestellt). Mit Hilfe von Dehnungsmessungen unter einem definierten Belastungsfahrzeug sollte das der Nachrechnung zugrunde liegende Berechnungsmodell kalibriert werden (z.B. Berücksichtigung der Mitwirkung des Fahrbahnbelages, genauere Erfassung der mitwirkenden Breiten des Fahrbahnblechs), um auf diese Weise den Nachweis der Tragfähigkeit günstig zu beeinflussen.
Beschreibung des Bauwerkes
Das Bauwerk überbrückt mit 2 gekoppelten Hauptträgern die Bahnanlagen im Bereich des Haltepunktes Kemnitz. Die Brücke wurde 1967 als Schweißkonstruktion errichtet und 1982 durch Trapezhohlsteifen am Hauptträgeruntergurt über den Mittelstützen verstärkt. Bei dem Überbau handelt es sich um einen Zweifeldträger mit Feldlängen von jeweils 21,5m. Die Hauptträger sind als geschlossene Hohlkästen mit konstanter Steghöhe von 81cm ausgeführt. Blechdicken und Stahlgüte wurden entsprechen der Belastung abgestuft. Die Endauflager der Hauptträger sind in den Widerlagern mit Zugstangen verankert. Die Fahrbahnplatte wurde als orthotrope Platte ausgebildet. Die Querträger mit offenem IQuerschnitt verbinden im Abstand von 2,525m die Hauptträger und sind biegesteif an diese angeschlossen. Das Deckblech mit t = 10mm ist durch Trapezhohlsteifen im Abstand von 56cm ausgesteift. Die Längssteifen laufen an den Kreuzungspunkten mit den Querträgern ungestoßen durch, die Querträgerstege sind entsprechend ausgenommen. Freischnitte sind an den Längssteifendurchführungen nicht vorhanden. Rechnerische Überlastungen der Tragfähigkeit ergaben sich an den Anschlüssen der Querträger an die Hauptträger (Schweißnaht Stegblech), innerhalb der Querträgerstege (Zahnspannungen) und im Deckblech. An diesen Stellen wurden im wesentlichen auch die Dehnmessstreifen (DMS) appliziert. Gleichzeitig sollte mit den Ergebnissen der Messung das Stabwerksmodell, das der Nachrechnung zugrunde liegt, kalibriert und an das tatsächliche Tragverhalten angepasst werden. Dies betrifft insbesondere die Größe der mitwirkenden Breite der Hauptträger über den Stützen sowie der Querträger im Anschluss an den Hauptträger. In der nachfolgenden Tabelle sind die wesentlichen Querschnitte aus der statischen Nachrechnung dargestellt:
Angaben zur Durchführung (1)
Die Beanspruchung im Rahmen der Kurzzeitmessung erfolgte ausschließlich durch ein definiertes Belastungsfahrzeug (Mobilkran Liebherr LTM 1070 mit 4 Achsen zu je 12t). Es wurden jeweils 3 Überfahrten in der Hauptspur Richtung Meißen (FS 1, über Hauptträger Ost), in der Hauptspur Richtung Dresden (FS 2, über Hauptträger West) und in der Mittelspur (FS 3) mit v = 10-15km/h durchgeführt. Zur Erfassung dynamischer Effekte wurden in FS 1 Richtung Meißen zusätzlich 3 Überfahrten mit der maximal erreichbaren Geschwindigkeit durchgeführt. Die Nachrechnung ergab eine erreichte Geschwindigkeit von ~26km/h. Im Anschluss an die geplanten Überfahrten wurden in FS 1 und FS 2 je 3 Überfahrten mit Vollbremsung durchgeführt. Eine Zusammenstellung der durchgeführten Überfahrten ist in Tabelle 1 enthalten.
Angaben zur Durchführung (2)
Die Überfahrten in FS 2 und FS 3 erfolgten näherungsweise in der Mitte der markierten Fahrspuren. Um in FS 1 eine genaue Belastung der Messpunkte an der Unterseite des Fahrbahnblechs zu erreichen, wurde die Fahrspur für das linke Rad in FS 1 auf dem Fahrbahnbelag markiert. Parallel zur Dehnungsmessung erfolgte die Erfassung der Überfahrten durch Videoaufzeichnung. Als Messverstärker kamen je 1 Gerät „Spider 8“ und „QuantumX MX 840“ der Firma Hottiger- Baldwin Messtechnik mit jeweils 8 Kanälen zum Einsatz. Es wurden Dehnmessstreifen des Typs LY61-10/120 (Hottinger Baldwin Messtechnik) verwendet. Als Software zum Aufzeichnen der Messdaten wurde Catman AP genutzt. Die Aufzeichnung der Messdaten erfolgte mit einer Frequenz von 50 Hz. Die Installation der Messanlage erfolgte in der 30. und 31. KW 2008. In der 32. KW wurde zu Testzwecken unter laufendem Verkehr gemessen. Die Installation erfolgte mit einem Gerüst vom Bahnsteig des Haltepunktes Kemnitz aus. Einschränkungen des Straßen- oder Eisenbahnverkehrs waren nicht erforderlich. Die genaue Lage der Messpunkte wurde vor Ort eingemessen und im Bild dokumentiert. In der Nacht vom 09.08.-10.08.2008 erfolgte die eigentliche Kurzzeitmessung mit dem Belastungsfahrzeug. Für die Durchführung der Messung war während der Überfahrten des Belastungsfahrzeuges eine kurzzeitige, wiederholte Vollsperrung des Bauwerkes für Straßenverkehr erforderlich. Zwischen den Überfahrten des Belastungsfahrzeuges konnte der Verkehr wieder freigegeben werden. Die Messleitungen wurden zu einer Arbeitsbühne zwischen den Querträgern QT 9 und 10 geführt, wo sich die Messverstärker und ein Messcomputer befanden. Von dort erfolgte die Weiterleitung der Daten über Funk an ein Laptop, welches sich auf der Brücke befand. Die DMS für die Dauermessung wurden abgedeckt und verblieben nach der Messung am Bauwerk. Die DMS der Kurzzeitmessung wurden abgeschliffen und die Schleifstellen im Korrosionsschutz mit Zinkspray abgedeckt. Die exakte Lage aller Messpunkte ist in Abschnitt 3.2 und der Fotodokumentation Anhang A enthalten.
Messobjekte
Hauptträger
Mit Hilfe der Messung an den Hauptträgern sollten folgende Sachverhalte geklärt bzw. bestätigt werden: • Größe der mitwirkenden Breite des Fahrbahn- und Bodenblechs über den Mittelstützen • Mögliche Unterschiede zwischen den Hauptträgern West und Ost aufgrund von eventuellen Schäden innerhalb der nicht zugänglichen Hohlkästen • Mitwirkung des Fahrbahnbelags an der Tragwirkung des Fahrbahnblechs • Kalibrierung des Berechnungsmodells in Hinsicht auf Querverteilung und Trägerrostwirkung • Größe der Spannungsunterschiede zwischen Gehweg- und Straßenseite eines Hohlkastens Zu den einzelnen Punkten nachfolgend einige kurze Erläuterungen: Gegenüber der Urstatik sind nach den heute gültigen Vorschriften deutlich geringere mitwirkende Breiten anzusetzen. Dies führte in der statischen Nachrechnung dazu, dass im Bereich der Mittelstütze nicht das gesamte Boden- bzw. Fahrbahnblech zwischen den Hauptträgerstegen angesetzt werden konnte. Die daraus resultierenden Spannungen konnten zwar für den Hauptträger selbst noch knapp nachgewiesen werden, führten jedoch im Deckblech in der Überlagerung mit Biegespannungen aus lokaler Blechbiegung zu deutlichen Überlastungen. Am Hauptträger Ost wurde daher neben den Spannungen im Untergurt an den Stegrändern auch die Spannung in der Mitte des Bodenblechs gemessen. In den vergangenen 10 Jahren wurde wiederholt Wasser in einigen Längssteifen am Hauptträger Ost angetroffen. Da die Hauptträgerkästen nicht ohne weiteres kontrolliert werden können, konnte nicht ausgeschlossen werden, dass auch in die Längssteifen innerhalb des Hohlkastens Wasser eingedrungen ist. Eventuell vorhandene Korrosionsschäden könnten sich in einem abweichenden Tragverhalten der beiden Hauptträger niederschlagen. Daher wurde zu Vergleichszwecken auch am Hauptträger West an 2 Messpunkten gemessen. Die dazu erforderliche Überfahrten auf dem Hauptträger West erfolgten im gleichen Abstand zum Schrammbord wie die Überfahrten auf dem Hauptträger Ost. Erfahrungsgemäß ergeben sich durch die Mitwirkung des Fahrbahnbelags gegenüber der statischen Berechnung geringere Spannungen in den Hauptträgern. Die Nulllinie ist dann gegenüber der statischen Berechnung nach oben verschoben.
Querträger
In der Nachrechnung [1] ergaben sich durch die Schiefwinkligkeit des Überbaus, die Torsionssteifigkeit der Hauptträger und den biegesteifen Anschluss der Querträger hohe Auslastungen im Grundmaterial und deutliche Überlastungen in den Schweißnähten der Querträger. Mit der Messung an ausgewählten Querträgern sollte die Einspannwirkung der Querträger in den Hauptträgern genauer erfasst werden. Weiterhin wurden durch die Messung die sog. Zahnspannungen erfasst, die sich durch die Ausschnitte in den Querträgerstegen an den Durchführungen der Längssteifen ergeben (für weiterführende Erläuterungen siehe [1]). Die Messungen wurden am Querträger 9 (1. Querträger in Richtung Dresden nach Mittelstütze Ost) und am Querträger 19 im Anschluss an den Hauptträger Ost durchgeführt. An Untergurt und Fahrbahnblech wurde je 1 DMS in Brückenquerrichtung appliziert. Die Messung der Zahnspannungen erfolgt am Querträger 9 mit 2 DMS zwischen den Längssteifen 13 und 14.
Fahrbahnblech
Das Fahrbahnblech mit t = 10mm entspricht nicht den heute gültigen Vorschriften. In der Nachrechnung [1] zeigte sich, dass rechnerisch schon unter der Radlast allein der Bemessungswert der Streckgrenze erreicht wird. In der Überlagerung mit den Spannungsanteilen aus den übrigen Tragfunktionen ergaben sich deutliche rechnerische Überlastungen. Durch die gemeinsame Tragwirkung von Deckblech und Fahrbahnbelag als Verbundquerschnitt liegen die tatsächlichen Biegespannungen erfahrungsgemäß deutlich niedriger. Zur Quantifizierung der Mitwirkung des Fahrbahnbelags wurden die Spannungen am Deckblech direkt unter der Radlast des Belastungsfahrzeuges gemessen. Auf der Oberfläche wurde die Lage des Messpunktes genau eingemessen und durch Klebebänder markiert. Die Messung am Fahrbahnblech erfolgte mit 2 Dehnmessstreifen mittig zwischen den Querträgern 9 und 10 und den Längssteifen 13 und 14. Die DMS wurden in Brückenquerund -längsrichtung appliziert.
Messungen
Hauptträger – Messschrieb 26.09.2008 00:23 [RecordingID 11]
Meißen – DD FS 2 18 km/h 0:23
Hauptträger – Messschrieb 26.09.2008 00:24 [RecordingID 12]
DD – Meißen FS 1 10 km/h
Querträger – Messschrieb 26.09.2008 00:24 [RecordingID 12]
DD – Meißen FS 1 10 km/h
Querträger – Messschrieb 26.09.2008 00:53 [RecordingID 10]
Meißen – DD FS 3 10-15 km/h 0:53
Fahrbahnblech – Messschrieb 26.09.2008 00:24 [RecordingID 12]
DD – Meißen FS 1 10 km/h